Wie bitte? Unternehmen bestehen nicht aus Menschen? Diese Aussage ist doch gar nicht mit der Beobachtung der Realität in Übereinstimmung und total kontraintuitiv! Und doch ist sie eine der Grundannahmen des Future Leadership.
Denn beim genaueren Hinschauen auf diese erste These des Future Leadership fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Menschen nehmen in Unternehmen eine Rolle ein. Und die wiederum wird definiert durch die Erwartungen, die von der Organisation an diese Rolle gestellt werden. Gewollt und ungewollt. Es lohnt sich, diesen ungewollten Rollenerwartungen auf den Grund zu gehen, denn das sind meist die Bremsen für die Wertschöpfung – sozusagen der Sand im Getriebe. Sie finden ihren Ausdruck in egoistischem Verhalten, Zurückhaltung von Wissen und Know-How, Silodenken, Misstrauen – die Aufzählung könnte noch beliebig verlängert werden.
Nicht an den Menschen, sondern mit den Menschen arbeiten
Klingt nicht glaubwürdig genug?
Nun, dann versuche ich es mal mit einer Analogie: Wenn man ein Spiel kauft – sagen wir, Monopoly oder Mensch-ärgere-dich-nicht – was gehört da alles zum Spiel? Das Spielbrett, richtig! Und die Figuren, der Würfel, das Spielgeld, die Karten etc. Aber nicht die Spieler! Die nehmen vom Spiel Gebrauch, unterwerfen sich den Regeln (mehr oder weniger) und übernehmen voll und ganz die Rolle eines Mitspielers. Sie kommunizieren in dem Regelwerk des jeweiligen Spiels. Beim Schach anders als beim Skat, beim Halma anders als beim Fußball. Das hat absolut nichts damit zu tun, wie sich diese Mitspieler in anderen Rollen, z.B. als Familienmitglied, Vereinsangehöriger, Mitarbeiter oder Politiker verhalten. Jedes dieser Spielerrunden, Vereine, Unternehmer oder Familien ist ein eigenes soziales System – mit eigenen Regeln, Rollenerwartungen und Kulturen.
Unternehmen bestehen nicht aus Menschen
Ebenso ist das in Unternehmen auch und so lässt sich daraus schlussfolgern, dass Unternehmen nicht aus Menschen, sondern aus deren Kommunikation bestehen, die sich aus den Gegebenheiten, Regeln, Machtverteilungen und Ritualen der Organisation entwickelt.
Das ist eine äußerst entlastende Feststellung, denn die bedeutet, dass nicht den Menschen in den Unternehmen die Bürde aufgetragen werden sollte, SICH zu verändern, an SICH zu arbeiten und die Umstellung des EIGENEN Verhaltens anzustreben, sondern nach der Wurzel von erfolgsverhindernden Kulturmustern in der Organisation zu suchen.
Oder anders gesagt: Arbeite nicht AN den Menschen, sonder MIT den Menschen und suche gemeinsam nach der Ursache für kontraproduktives Verhalten des Teams oder einzelner Mitarbeiter in der Struktur der Organisation!
„Future Leadership ist kein Rezept und erst recht keine Ideologie. Future Leadership besteht aus einem Werkzeugkasten praktischer Theorien für den Führungsalltag sowie seiner gekonnten Anwendung… Wer Future Leadership beherrscht, tanzt elegant mit der Komplexität des 21. Jahrhunderts, anstatt von ihr überlastet zu werden.“ Mark Poppenborg, intrinsify.de
Werteentwicklungsprogramme schaden dem Unternehmen
Viele Unternehmen schreiben sich auf die Fahnen, gewünschte Werte zu identifizieren, herauszuarbeiten und im Arbeitsalltag der Mitarbeiter zu etablieren. Es werden Werteentwicklungsprogramme aufgelegt, Workshops und Trainings installiert, um die Mitarbeiter „abzuholen“ und gemeinsam konsensual einen Wertekanon des Unternehmens zu verabschieden, der ab morgen bitteschön auch einzuhalten ist.
Eine „Werte-Charta“ ist geboren:
Sei wertschätzend und achtsam!
Sei kundenfreundlich!
Sei kollegial und pflege eine Kultur des Vertrauens!
Sei vorurteilsfrei und gib jedem die gleiche Chance.
Sei respektvoll und transparent.
Sei verantwortungsvoll.
Die Ernte sieht verheerend aus: Werteappelle funktionieren nicht. Im besten Falle sind sie nutzlos. In der Regel schaden sie aber!
Vertrauen kann man nicht einfordern
Warum das denn? Es klingt doch so gut und ehrenwert!? Und man weiß ja: Wenn gegenseitiges Vertrauen da ist, Respekt herrscht und wertschätzender Umgang miteinander, ist das die Grundlage für gemeinsamen Erfolg.
Können Sie Vertrauen haben in jemanden oder etwas, weil Sie heute mit ihren Kollegen gemeinsam in einem Workshop beschlossen haben, dass Vertrauen eine gute Sache für die Zusammenarbeit ist? Vertrauen ist keine rationale Entscheidung, sondern ein Gefühl, genauso wie Respekt, Wertschätzung, Liebe oder Teamgeist. Und Gefühle kann man nicht intellektuell steuern. Sie entwickeln sich, kontextbezogen und willensunabhängig.
Darum sind Aufforderungen, Werte zu leben und zu befolgen brandgefährlich für Unternehmen. Sie demoralisieren, fördern Zynismus und provozieren Spott. Und zwar gegen das eigene Unternehmen, dessen Kunden und die Kollegen.
Umgedreht wird ein Schuh daraus: WEIL Teams erfolgreich sind, vertrauen die Mitglieder einander, sind kollegial und kooperativ.
Wenn andere es können… Best Practices sind nicht hilfreich
Wenn sich schier unlösbare Probleme türmen, keiner einen Ausweg weiß und eine Lösung für Performanceschwäche gefragt ist, wird schnell der Ruf nach Best Practices laut. Der Blick richtet sich auf andere Unternehmen, die erfolgreich sind, bei denen die Zusammenarbeit funktioniert und die als Vorbild identifiziert werden.
Wir brauchen es ja nur so zu machen wie die – dann sind wir auch erfolgreich.
Wrong Turn!
Die kausale Betrachtung des Problems führt in der heutigen komplexen Wertschöpfung nicht zu einer Lösung. Best Practices unterstellen aber kausale Wirkungen: Wenn wir es genauso machen, wie die (erfolgreichen) Anderen, dann werden wir auch erfolgreich. Diese Denke stammt aus dem Industriezeitalter, in der das Streben nach „dem einen besten Weg“ Schlüssel zum Erfolg durch Effektvierung war.
Für viele Bereiche der Wertschöpfung gilt das ja nach wie vor: Wenn man sich den Aufbau einer funktionierenden Buchhaltung von einem anderen Unternehmen, das diesen Part hervorragend beherrscht, abschaut, wird das in der Regel gut funktionieren.
Aber die Frage nach dem besten Weg, ein Unternehmen agil zu machen, wird wohl nicht zu einer befriedigenden Antwort führen. Die mechanistische Betrachtung von Unternehmen hilft bei solchen Vorhaben nicht weiter.
Hier kommt es auf das Können, die Intuition und die Kreativität der Teams, die agieren, probieren, scheitern, lernen und verbessern, an. Planung und Steuerung werden hier zur blanken Illusion.
Das sind nur drei von vielen weiteren höchst kontraintuitiven Thesen des Future Leadership.
Eine kleine Kostprobe zum nachdenken?
Entscheidungen sollten nicht von offiziellen Gremien getroffen werden.
Flache Hierarchien sind keine Alternative zu Matrixorganisationen.
Abteilungsübergreifendes Arbeiten bedeutet kein Ende des Silodenkens…
Ralf Haase Personalberatung
Wir haben uns mit der Gründung der Ralf Haase Personalberatung einem ganzheitlichen Ansatz verschrieben. Unser Motto „Unternehmenskultur ist unsere Leidenschaft“ begleitet uns seit dem und wird aktiv gelebt.
In den Themen dieses Blogs beleuchten wir der nächsten Monaten solche Themen, wie Change ohne Change-Theater, das Verständnis von Arbeit in verschiedenen Generationen und Wissen demokratisieren und das Unternehmen fit halten. Wir erläutern Zusammenhänge und teilen unser Wissen mit. Wir gehen auch auf die Spezifika dieser Themenfelder in der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Ralf Haase wird in seinen Essays immer wieder neue Akzente über den Möglichkeitsraum und die Ausgestaltungsformen der Arbeit von morgen setzen.
Wir stellen Ihnen die Quellen unserer Inspiration vor, seien es Tipps für Websites, Bücher und Artikel oder Veranstaltungen.
Ihre Anregungen, Kommentare, Wünsche, Kritik, Impulse sind uns wichtig und wir freuen uns über Austausch mit Ihnen. Sprechen Sie uns jederzeit an, per Mail oder telefonisch.
Ralf Haase
Unternehmenskultur ist meine Leidenschaft – Organisationsdesign meine Passion.
rh@rhp.berlin
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