Wenn von Führungskräften Unmögliches verlangt wird
Eine kritische Analyse
– Eine Einführung
Ein Kommentar zum Interview von LinkedIn News DACH mit Hannes Ametsreiter, CEO von Vodafone Germany
https://www.linkedin.com/posts/linkedin-news-dach_faeshrung-activity-6762706677058854912-W3ER
Es macht Freude, einer so mächtigen Führungskraft, wie Hannes Ametsreiter bei seinem Statement zuzuhören, das darauf schließen lässt, dass er ein offenes und zukunftsgerichtetes Denken pflegt sowie ein positives Menschenbild hat.
Sein Tipp, angesichts hoher Dynamik und Komplexität gelassen zu bleiben, trifft einen äußerst wichtigen Punkt, den gute Führung ausmacht: Resilienz. Hier könnte ein solcher Appell vielleicht nicht wirkungslos bleiben, weil man das auch trainieren kann.
An einigen weiteren Ausführungen von Hannes Ametsreiter möchte ich jedoch kritisieren, dass sie zu unpräzise, simplifizierend oder gar unrichtig sind.
Kommentar zum Interview
- Die ja auch im Intro zitierte Aussage, dass Führung mit Kommunikation zu tun hat, ist eine Plattitüde, die auch durch die versuchte Präzisierung, dass bessere Kommunikation für bessere Führung sorgt, nicht aussagekräftiger wird. Paul Watzlawik hat festgestellt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Ergo kann auch Kommunikation per se keine Führungsqualität sein. Und was ist wohl „bessere Kommunikation“? Nein – gute Leader:innen sind Menschen, denen in ihrer Rolle sozial legitimiert gefolgt wird. Gute Führung ist eine Zuschreibung und nicht etwas, was selbst konstruiert werden kann. Man kann Führung nicht gut „machen“, wie es Hannes Ametsreiter behauptet. Es können jedoch Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen sozial legitimierte Führung wirken kann. Ob diese dann den in der Organisation formal eingesetzten Personen zugeschrieben wird, ist fraglich und auch nicht zwingend notwendig.
- Die Forderung, Kommunikation authentisch zu nutzen, ist ebenso ein Paradoxon. Authentizität kann ebenfalls nicht gesteuert werden – sie ist auch eine Zuschreibung anderer an eine Person und höchst individuell.
- Die Aufforderung, alle Mitarbeitenden „mitzunehmen“, drückt eine Infantilisierung der in den Organisationen arbeitenden Menschen aus. Ein Denkmuster, was sicher der tayloristischen Prägung von Führungsverständnis entspringt, bei dem einer denkt und alle anderen ausführen.
- Hannes Ametsreiter ist es wichtig, „klare Regeln einzuführen, wie man einen Ablauf sinnvoll steuert“. Das ist genau nicht die Antwort auf Komplexität und zunächst einmal überhaupt keine Führung, sondern Steuerung, die gerade in dynamischen Situationen zur Illusion wird. Komplexität lässt sich nicht steuern, auch wenn es noch so sehr gewünscht ist. Holacracy ist z.B. ein Versuch, dieser Illusion ein Stück mehr Herr zu werden, was aber mit einem hohen Preis an Formalismus und Mikrosteuerung bezahlt wird.
- Und last but not least ist die Kausalitätsbehauptung, Diversität führe zu besseren Ergebnissen in Unternehmen, ziemlich fahrlässig. Denn sie ist nicht begründbar – es sei denn, man hat ein schräges Menschenbild. Implizit hat Hannes Ametsreiter jedoch einen schlüssigeren Zusammenhang dargestellt: In Kulturen, in denen Diversität und Offenheit für Individualität eine Selbstverständlichkeit sind, arbeiten tendenziell Menschen mit Sinn für Kollaboration und Kokreativität lieber. Daraus entsteht die Emergenz, die heute Erfolg ausmacht.
Gemeinsam unternehmerisch denken.
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Ralf Haase
Organisationsdesigner | Netzwerker | Future Leadership Evangelist