Kurzarbeit, Probezeit und Kündigungsschutz

Eine erklärende Einführung

– Eine Einführung

Viele Arbeitsverhältnisse sind in den letzten Monaten im Home Office oder in Kurzarbeit gestartet. Für Unternehmen eine schwierige Situation: Soll man einen Neuling, den man nicht einschätzen kann, zum Ende der Probezeit behalten oder kündigen. Welche Möglichkeiten gibt es eigentlich, wenn ein wesentlicher Teil der Probezeit in einen Zeitraum mit Kurzarbeit fällt?

Die Faktenlage

Die Rechtslage

Die unternehmerische Lage

Über die Autorin

Das Unternehmen hat sich nach einem Auswahlverfahren für einen der Bewerbenden entschieden. Vereinbart wurde ein unbefristeter Arbeitsvertrag mit 3 Monaten Probezeit. Der Neuling startete am 1. November 2020 coronabedingt im Home Office. Ab dem 15. November musste das Unternehmen seinen Betrieb einstellen und alle Mitarbeiter gingen in Kurzarbeit. Persönlich und live gesehen haben sich Arbeitgebender und Arbeitnehmender das letzte Mal im Vorstellungsgespräch Anfang August 2020. Nun steht die Entscheidung an, ob der Neuling nach Ablauf der Probezeit über den 31. Januar 2021 weiterbeschäftigt oder vorher gekündigt werden soll. Tatsächlich einschätzen kann der Arbeitgebende die Leistung des Neulings nicht.

Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich auf meinen Artikel zu Märchen und Mythen rund um Probezeit und Kündigungsschutz. Ein kurzer Extrakt daraus: Eine Probezeit kann für die ersten 6 Monate eines Arbeitsverhältnisses vereinbart werden und bedeutet, dass die Kündigungsfristen eines Arbeitsverhältnisses verkürzt werden können. Kündigungsschutz entsteht nach Ablauf von 6 Monaten. Das Kündigungsschutzgesetz ist für alle Parteien bindend und kann nicht durch Vereinbarungen ausgeschaltet oder verändert werden. Wird eine Probezeit länger als 6 Monate vereinbart, greifen dennoch nach Ablauf der 6 Monate sowohl die längeren Kündigungsfristen als auch der Kündigungsschutz. 

Für den obigen Fall bedeutet das: Das Arbeitsverhältnis begann am 1. November 2020. Die vertraglich vereinbarte Probezeit endet am 31. Januar 2021. Kündigungsschutz besteht ab 1. Mai 2021. Der Mitarbeitende kann also zwischen dem 1. November 2020 und dem 31. Januar 2021 mit verkürzter Frist und vom 1. Februar 2021 bis einschließlich des 30. April 2021 mit der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Frist ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Ab 1. Mai ist das Kündigungsschutzgesetz zu beachten, so dass dann besondere Gründe für eine Kündigung vorliegen müssen, und der Mitarbeitende sich auch mit einer Klage dagegen wehren kann.

Die unternehmerische Lage zum Ende der 3 monatigen Probezeit: 

Für besondere Situationen, z. B. bei langer Krankheit des Arbeitnehmenden, ist anerkannt, dass die Probezeit einvernehmlich auch im bereits laufenden Arbeitsverhältnis bis zur Dauer der 6 Monate verlängert werden darf. Solche Umstände sind z. B. längere Krankheitsphasen während der Probezeit. Es ist davon auszugehen, dass coronabedingte längere durch Kurzarbeit geprägte Abwesenheiten von den Arbeitsgerichten auch als Verlängerungsgrund anerkannt werden.  

Meine Empfehlung wäre also mit dem Neuling zu sprechen und einvernehmlich die Probezeit bis zum 31. Mai 2021 zu verlängern. Beide gewinnen dadurch: Das Unternehmen erhält noch einmal 3 Monate Zeit, um sich einen Eindruck über die Arbeitsleistung des Mitarbeitenden zu machen. Der Neuling behält seinen Arbeitsplatz. 

Die unternehmerische Lage zum Ende der auf 6 Monate verlängerten Probezeit: 

Nun mag es sein, dass Corona, Kurzarbeit und Lockdown uns noch eine Weile erhalten bleiben und auch mit Ablauf der 6-monatigen Probezeit zum 30. April 2021 weder eine solide Einarbeitung noch ein realistischer Blick auf die Leistung des Neulings möglich sein wird. Und wieder stellt sich die Frage: kündigen oder behalten.  

Eigentlich sollte der Auswahlprozess (hoffentlich) so fundiert gewesen sein, dass der Arbeitgebende 100% von seiner Entscheidung überzeugt war. Niemand kann eine Garantie geben, aber wenn in den Vorgesprächen gut gefragt und hingeschaut wurde, sollte das Risiko einen nicht passenden oder schlecht leistenden Mitarbeitenden zu haben, relativ gering sein. Meine Empfehlung wäre daher abzuwägen, Gespräche zu führen, einen nochmaligen fundierten Eindruck von dem Neuling zu erhalten und dann eine Entscheidung zu treffen. Die Situation kann ein gutes Barometer für die eigenen Prozesse sein. Die Arbeitgebenden, die sich auf ihre Urteile und Verfahren verlassen können, werden den Neuling weiterbeschäftigen. 

Für die Arbeitgebenden, die unsicher sind, ob sie kündigen oder weiterbeschäftigen sollten, gibt es einen rechtlich haltbaren Weg, der aber sehr oft Enttäuschung und Frust hervorrufen und die Zusammenarbeit erheblich belasten wird. Das Arbeitsverhältnis kann durch Aufhebungsvertrag oder Kündigung bis zum letzten Tag der Probezeit, ggf. nach Anhörung eines Betriebsrates, mit einer langen Kündigungsfrist, in diesem Falle z. B. zum 31. Juli 2021, beendet werden. So kann der Mitarbeitende nochmals 3 Monate im Unternehmenskontext beobachtet werden. Sollte er die Erwartungen erfüllen, und will der Neuling dann noch, wird die Kündigung zurückgenommen, bzw. der Aufhebungsvertrag als hinfällig erklärt, und der ursprüngliche Vertrag wird fortgesetzt. Erfüllt er die Erwartungen nicht, endet das Arbeitsverhältnis am 31. Juli 2021.  

Wichtig ist, dieses Vorgehen sehr offen und ehrlich mit dem Mitarbeitenden zu besprechen, damit das Vertrauensverhältnis nicht belastet wird. Für den Mitarbeitenden ist das Arbeitsverhältnis erst mal gekündigt oder aufgehoben, d. h. er muss sich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden und einen neuen Job suchen. Ich empfehle daher, diesen Weg als absolute Ausnahme zu wählen und den Mitarbeitenden während dieser 3 monatigen Frist sehr eng zu begleiten und ihm regelmäßig Feedback zur unternehmerischen Einschätzung zu geben. 

Janetta Cordier ist freiberufliche Personalerin mit Leib und Seele, Herz und Verstand. Ihr Praxiswissen beruht auf langjähriger Erfahrung in der KMU- und Konzernwelt. Sie arbeitet nicht mit vorgefertigten Konzepten, sondern analysiert die jeweilige Unternehmenssituation und entwickelt kreative Lösungen, die Unternehmen und Menschen Wertschätzung entgegenbringen.

Learnings

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Für besondere Situationen ist anerkannt, dass die Probezeit einvernehmlich auch im bereits laufenden Arbeitsverhältnis bis zur Dauer der 6 Monate verlängert werden darf.

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Das Arbeitsverhältnis kann durch Aufhebungsvertrag oder Kündigung bis zum letzten Tag der Probezeit mit einer langen Kündigungsfrist beendet werden.

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Ralf Haase

Organisationsdesigner | Netzwerker | Future Leadership Evangelist