Ein Beitrag von Janetta Cordier

Eine Beschreibung in 2 Folgen

Unternehmen sind keine Sozialeinrichtungen. Egal ob Konzern oder Start-Up – alle haben eines gemeinsam: sie wollen Geld verdienen, je mehr desto besser – für Aktionäre, Eigentümer oder Investoren – alles und auch im weiteren Text m/w/d. Spätestens wenn die Erträge – warum auch immer – zurückgehen, wird der Blick auf die Kosten erforderlich. Insbesondere die Unternehmen, deren wesentlicher Wert die Arbeitnehmer sind, sollten sich mit dem Thema Rezession frühzeitig auseinandersetzen. Denn ein wesentlicher Faktor bei der Kostenreduzierung ist neben der Finanz- und der Organisationsseite der Personalabbau. Von Letzterem wissen heute aber die wenigsten Unternehmen, wie man ihn unter Kostengesichtspunkten, insbesondere auch unter Beibehaltung einer wertschätzenden und zukunftsorientierten Atmosphäre durchführt.

Folge 1: Wolken sehen und reagieren

Von Nachtfaltern und Fledermäusen

Alle reden über Rekrutieren, Digitalisieren, New Work, die nicht vorhandene Arbeitsmoral der Generation Y und Z, die senilen Baby Boomer mit ihrer elektrischen Schreibmaschine, zu viele Regeln und zu wenig Freiheit und Verantwortung und natürlich über – Obstkörbe und Tischkicker. Wachstum ist in aller Munde, der nur deswegen nicht vollständig ausgelebt werden kann, weil die Zahl der möglichen Mitarbeiter – Bewerber – zu klein ist. Unternehmenslenker, Führungskräfte, Personaler und Berater kreisen um die Wachstumsthemen wie Nachtfalter um das Licht – und scheinen die Fledermäuse, die von außen auf die Motten zufliegen, nicht wahrzunehmen. Man möge mir dieses Bild verzeihen, aber ich habe es selbst genauso – mit echten Nachtfaltern, die um eine Straßenlaterne schwirrten – beobachtet. Die Fledermäuse machten kurzen Prozess.

Was bedeutet dieses Bild für das unternehmerische Leben und insbesondere auch für die künftige Arbeit der Personaler? Nicht nur die Digitalisierung, sondern auch geopolitische Veränderungen führen dazu, dass das Wirtschaftswachstum sich mindestens verlangsamt, wenn es nicht sogar stocken wird. Die Unternehmen, die ausschließlich wachstumsorientiert agieren und die Gefahren einer Krise völlig außer acht lassen, werden sich in den sich verändernden Märkten nicht behaupten können. Vorausblickende und –denkende Unternehmenslenker haben neben New Work und Wachstum auch die Gefahren einer Rezession im Blick. Um für die Zukunft richtig aufgestellt zu sein, sollten sie regelmäßig Strategien und Denkszenarien entwickeln, die ein zeitnahes Reagieren im Fall der Fälle ermöglichen. Einen wesentlichen Input zu diesen Denkszenarien sollten die Personaler geben, denn die Hauptbetroffenen einer Rezession sind die Mitarbeiter eines Unternehmens. Es scheint ein unternehmerischer Reflex zu sein, dass den Verantwortlichen zum Thema Kosten sparen als erstes der Personalabbau einfällt.

Vom Winde verweht

Die letzte Rezession rüttelte 2008 an den Grundfesten der Unternehmen. Das heißt: Die meisten Arbeitnehmer, die seit 11 Jahren berufstätig sind, kennen nur Aufschwung und Wachstum. Pauschal gesprochen: Die Generationen Y und Z, die aktuell die Arbeitsmärkte dominieren und schon weitgehend Verantwortung übernommen haben, kennen die Themen Restrukturierung, Personalabbau, Sozialplan, Massenkündigungen nur aus dem Lehrbuch oder gar nicht. Es wäre also enorm wichtig, dass sich die Unternehmenslenker, die Führungskräfte und auch die Personaler intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, um nicht eiskalt erwischt zu werden.

Aber was ist aktuell die Realität? Es gibt in LinkedIn ca. 4.380 Gruppen zum Thema Recruiting, aber nur ca. 240 Gruppen zum Thema Restructuring. Google gibt 11,6 Mio. Links zu New Work und 6,8 Mio. Links zu Rezession; ähnliches wenn ich Rekruiting und Restrukturierung eingebe. Über die Themen Personalabbau und Restrukturierung will kaum einer reden oder darüber nachdenken. Zu sehr triggern nach wie vor die Diskussionen und Ausführungen zu New Work, Agilität und GenY/Z.

Schon Scarlett meinte in „Vom Winde verweht“ sinngemäß: „Morgen will ich darüber nachdenken. Morgen wird mir schon einfallen, wie ich handeln werde. Schließlich ist morgen auch noch ein Tag.“ Ob ein solches Denken ein probates Mittel ist, wenn die eigene Welt droht in Trümmern zu versinken, diskutiert der Zuschauer. Aber wenn das Geld knapp wird, die Kunden wegbleiben und die Absatzmärkte für Produkte wegbrechen, ist es fast zu spät, um noch adäquat reagieren zu können.

Von Weihnachten und Vogel Strauß

Mit Weihnachten ist es jedes Jahr das Gleiche: Plötzlich und unerwartet ist der 23. Dezember und nichts ist vorbereitet oder eingekauft. Das ähnliche Phänomen tritt auch bei Masterarbeiten und vor Klausuren auf: Aus heiterem Himmel klopft der Abgabezeitpunkt an – völlig unerwartet und plötzlich ist er da. Wir Menschen scheinen Meister im Ausblenden von Terminen und Ereignissen zu sein, die für uns anstrengend oder schwierig zu werden drohen. Ähnliches sehe ich derzeit beim Thema Rezession und deren Folgen. Immer wieder hört und liest man mahnende Stimmen, aber die Mehrheit scheint Worte wie Krise, Personalabbau, Restrukturierung auszublenden.

Es ist verlockend und sicher auch wichtig, sich intensiv mit neuen Arbeitsmethoden und jungen Arbeitnehmern zu beschäftigen. Diese sind die Zukunft, sollten das Potenzial haben, ein Unternehmen weiterzuentwickeln. Dazu erwarten die Gen Y/Z viel Freiheit und einen weiten Spielraum für ihre Kreativität. Beides ist neu in etablierten Organisationsstrukturen und bedarf viel Aufmerksamkeit. Da fällt es leicht, die grauen Wolken am Himmel auszublenden.

Vogel-Strauß-Politik nennt man das – den Kopf in den Sand stecken und so die Gefahr ausblenden. Aber es gehört in die Märchenwelt, dass der Vogel Strauß bei Gefahr den Kopf in den Sand steckt. Im Gegenteil, er legt den Kopf auf den Boden, um besser hören zu können, woher die Gefahr kommt. Die richtige Vogel-Strauß-Politik wäre also, die Anzeichen wahrnehmen und überlegen, wie die richtige Strategie sein könnte, um die Krise und die Zukunft danach zu gestalten. Es scheint aber aktuell nur wenige zu geben, die tatsächlich sensibel erkennen, dass es einen Rückgang der Auftragslagen in vielen Industriezweigen geben könnte – und dann auch entsprechende Ideen für den Umgang mit einer Krise entwickeln.

Die Reaktionen auf den Entwurf eines „Arbeit von morgen-Gesetz“ durch unseren Bundesarbeitsminister beginnen u. a. mit den Sätzen: „Falls ein Rückgang der Auftragslage tatsächlich kommen sollte……“ oder: „Es gibt aktuell ca. 1,4 Mio. unbesetzte Arbeitsplätze…..“ Dabei ist es ohnehin kein gutes Vorgehen, wenn sich Unternehmenslenker darauf verlassen, dass der Staat schon etwas tun wird, wenn die Lage schlechter wird.

Von „Tätern, Opfern und Überlebenden“

Wenn die Krise kommt, sind die Rollen schnell verteilt: die Unternehmensinhaber, Führungskräfte und Personaler sind die Bösen – die „Täter“, und die Mitarbeiter, deren Arbeitsplatz wegzufallen droht, sind die Guten – die „Opfer“, und diejenigen, an denen der Kelch vorbeigeht, sind die „Überlebenden“. Man meint, dass es den Opfern am schlechtesten geht. Dieser Blick übersieht allerdings, dass die Situation auch für die „Exekutierenden“ extrem belastend ist. Das Überbringen schlechter Nachrichten, das Drehen der Unternehmenskultur von „wir haben uns alle lieb“ hin zu „eene meene muh – und raus bist du“ löst bei den Ausführenden, aber auch bei denjenigen, die im Unternehmen bleiben Konflikte und Panik aus. Die „Überlebenden“ sollen den Abschied von lieb gewonnenen Kollegen verkraften und gleichzeitig deren Arbeit übernehmen.

Waren die Unternehmen gerade auf dem Weg im Rahmen von New Work jeden als wichtiges und kreatives Teammitglied zu installieren, müssen sie nun auswählen, wer nicht mehr mitspielen darf.  In einer Welt, in der sich alle duzen, gemeinsam die Freizeit verbringen, freundschaftlich und ungezwungen miteinander arbeiten, fällt es gelinde gesagt schwer, dem Kollegen zu sagen, dass er nicht mehr dabei sein wird. Diejenigen, die auf den ersten Blick Täter und Überlebende sind, werden so schnell auch zu Opfern. Durch unprofessionelle, ungeplante oder schlecht organisierte Restrukturierungen gibt es am Ende nur Opfer – keine gute Ausgangsbasis, um nach dem Ende der Rezession wieder in erfolgreiche Bahnen zu schwenken.

Folge 2 beschäftigt sich mit den Fragen, auf die Führungskräfte und Personalverantwortliche Antworten finden sollten, um gut positioniert, einen möglichen Personalabbau bewältigen zu können.  Mit der richtigen Strategie und den richtigen handelnden und unterstützenden internen aber auch externen Personen ist das wertschätzend und verletzungsfrei möglich.

Über die Autorin:

Janetta Cordier ist mit Leib und Seele, Herz und Verstand Personalerin. Ihr Praxiswissen beruht auf langjähriger Erfahrung in der KMU- und Konzernwelt. Ihre Stärke und ihr Erfolgsrezept beruhen auf scharfer Analyse der jeweiligen Unternehmenssituation und der Übersetzung der Ergebnisse in operative Handlungen.