Die Systemtheorie als Werkzeug für zeitgemäße Unternehmensführung

Eine erklärende Einführung

– Eine Einführung

Haben Sie schonmal versucht, ohne Mathematik eine Zahlenaufgabe zu lösen? 

Mathematik untersucht abstrakte Strukturen mittels der Logik auf ihre Eigenschaften und Muster. Sie dient als Werkzeug zur Lösung von eigentlich zu schweren Aufgaben und ist somit eine Abkürzung dafür. Genau so kann man auch die Systemtheorie verstehen, nämlich als Werkzeug für das Erklären sehr komplexer Phänomene in sozialen Organisationen, zu denen auch Unternehmen gehören. Somit kann diese, vor allem von dem deutschen Soziologen Niklas Luhmann beeinflusste Denkschule als Fundament für das Organisationsdesign und die Führung von dynamikrobusten Unternehmen dienen. 

Können und Wirkung

„Das richtige Organisationsdesign für die Arbeitswelt der Zukunft“

„In der Enge globaler Märkte wird Überraschung zur wirksamen Waffe: Wer seinen Konkurrenten auf dem falschen Fuß erwischt, gewinnt.“ sagt Gerhard Wohland in seinem Buch Denkwerkzeuge der Höchstleister. Diese Unternehmen, die er Höchstleister nennt, erzeugen die damit verbundene Dynamik oder nehmen sie in Gebrauch. Es geht in den aktuellen und zukünftigen Wirtschaftsräumen nicht mehr darum, Methoden, Prozesse oder Technologien, also Wissen, präzise und konsequent anzuwenden, sondern Talente der Mitarbeitenden, also Können, zu erkennen und zur Wirkung zu bringen. Nicht das Wie ist entscheidend, sondern wer ein Problem lösen kann und dafür die richtigen Ideen hat. 

In der heutigen Zeit beeinflussen Dynamik und Überraschung immer größere Teile der Wertschöpfung, wodurch die klassische BWL nicht mehr als universelles Werkzeug zur Unternehmensführung geeignet ist. Denn die BWL kennt nur Kausalitäten, wenn-dann-Beziehungen von organisatorischen Operationen, die wiederkehrende und bekannte Probleme kennzeichnen. Damit lassen sich Prozesse steuern, die im systemtheoretischen Kontext „blaue Probleme“ genannt werden. Für den dynamischen, auch als „rot“ bezeichneten Teil der Wertschöpfung ist sie jedoch blind und kann mit Überraschungen nicht adäquat umgehen.  

Die aus dem tayloristischen Industriezeitalter stammende wissenschaftliche Basis des Wirtschaftens beruht auf konsequentem Einhalten von Regeln und absolutem Fokus auf effektivem Umgang mit Ressourcen. Konsequenz kann bei Überraschungen zur Falle werden, weil man sich dadurch leicht in eine Sackgasse manövriert, an deren Ende kein Kunde mehr zufrieden ist und Effizienz endet bei dynamischen Märkten in der Reaktionsunfähigkeit, weil fehlende Redundanzen keinen Handlungsspielraum ermöglichen. Für dynamische Märkte brauchen Unternehmen heute eine andere Theorie als Basis der Organisation. Und die Luhmannsche Systemtheorie bietet sich dafür in hervorragender Weise an, weil sie die grundlegenden Muster der Evolution sozialer Systeme in schlüssiger Form vereint. 

Wer bin ich und wenn ja wie viele? 

Als ich mich das erste Mal mit der Systemtheorie als Erklärungsmodell für das Funktionieren von Unternehmen beschäftigte, war ich einerseits irritiert von den sehr ungewohnten Denkansätzen und anderseits begeistert von der Logik, mit der sich nun der Umgang mit der zunehmend komplexer werdenden Arbeitswelt betrachten lässt. 

Eine der kontraintuitivsten Aussagen war in diesem Zusammenhang die Behauptung, dass Organisationen (wozu auch Unternehmen gehören) nicht aus Menschen bestehen, sondern lediglich aus der Kommunikation, die im sozialen System, an dem sie teilnehmen, entsteht. So wie einem Brettspiel, zu dem sehr wohl das Spielbrett, die Spielfiguren und auch die Spielregeln gehören, aber nicht die Spieler. Diese nehmen lediglich an dem Spiel teil und verhalten sich nach dessen Regeln. Wenn nicht…Sie kennen das Ergebnis! Und das für jede Art von Brettspiel unterschiedlich. Sofort wurde klar, warum Menschen in unterschiedlichen sozialen Systemen in der Regel völlig verschiedene Verhaltensmuster an den Tag legen. Es gelten natürlich überall unterschiedliche Regeln und die Erwartungen sind ebenfalls höchst unterschiedlich. Der Philosoph Richard David Precht geht in seinem Buch „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ auf diese Thematik ein. Cogito ergo sum – ich denke, also bin ich. Was bedeutet, dass wir nicht nur ein Ego besitzen, sondern mehrere – je nach sozialem Kontext. Eines in der Familie, ein anderes im Sportverein und ein wieder anderes im Zusammenhang mit der Arbeit.  

„Welche Person von dir konstruiert wird, hängt zum Großteil vom sozialen System ab, indem du dich bewegst. Je nach System entstehen unterschiedliche Personen von dir.“ schreibt Precht. In diesen sozialen Systemen entstehen  aus der Kultur heraus an die Rollen, die einzelne Menschen (Psychen) ausfüllen, spezifische Erwartungsbündel, die zu erfüllen sind. Insofern kann man jegliches Verhalten, das sichtbar wird, als für die Kultur „nützlich“ bezeichnen, selbst dann, wenn es unerwünscht ist. Ein systemtheoretischer Ansatz für jegliche Veränderung hin zum Erwünschten wird demzufolge immer zuerst in der Organisation nach dem Schlüssel zum Problem suchen und nur sekundär beim Individuum. 

Mark Poppenborg, einer der Vordenker für die systemtheoretisch fundierte Herangehensweise an Organisationsdesign und Führung sowie Gründer eines Netzwerkes von Avantgardisten der Neuen Arbeit sagt: „Die sogenannte Neue Systemtheorie von Niklas Luhmann bietet … einen sehr hilfreichen Denkansatz. Sie stellt ein Erklärungsmodell für soziale Systeme zur Verfügung und lässt damit auch einen geradezu revolutionär neuen Blick auf Unternehmen zu.“ 

Systemtheorie als Werkzeug für individuelle Change-Prozesse  

Jedoch ist die Systemtheorie weit entfernt davon, eine Methode zu sein, mit der ein Patentrezept für die Gestaltung von Unternehmenskultur oder -strukturen geliefert wird. Sie verändert die Herangehensweise an Probleme. Die Eigenschaft, keine Handlungsempfehlungen zu enthalten, ist ein großer Vorteil der Systemtheorie. Durch den systematischen Ausschluss von unwirksamen Problemlösungsansätzen wirkt sie als Abkürzung für den Weg zum Erkenntnisgewinn.  

Essentiell für diese heuristische Herangehensweise ist die Unterscheidung zwischen Entscheidungsprämissen, die Luhmann in entscheidbar und unentscheidbar unterteilt. Nur der entscheidbare Teil kann direkt beeinflusst werden. Der Versuch, unentscheidbare Entscheidungsprämissen zu verändern, ist zum Scheitern verurteilt. Wirkungslosigkeit ist hierbei das geringste Übel, oft wird damit sogar Schaden angerichtet.  

Oft verwendete Werte-Appelle und alle Veränderungsabsichten, die direkt auf die Kultur gerichtet sind, gehören dazu, weil nach systemtheoretischem Verständnis die Kultur und die Werte Ergebnisse der im Unternehmen herrschenden Verhältnisse sind. Sozusagen der Schatten der Organisation. Und versuchen Sie mal, Ihren Schatten direkt zu verändern! Dies gelingt eben nur, wenn die Ursache herangezogen wird. So, wie man selbst seinen Schatten nur verändert, indem Körperumfang oder -haltung variiert werden, so ist die Unternehmenskultur nur durch Arbeit an den Bedingungen in der Organisation beeinflussbar. Und diese sind zahlreich genug: Bonus- und Feedbacksysteme, Regelhandbücher oder Abteilungsstrukturen, Meetingregeln oder Jobtitel sind nur einige Beispiele. 

Ausgehend von der Erkenntnis, dass Unternehmen operativ geschlossene Systeme sind, wovon jedes nach seinen eigenen Regeln agiert, kann es keine allgemeingültige Lösung für Veränderungen in der Organisation geben. Regeln, die nicht unmittelbar beeinflussbar sind, sondern lediglich „irritiert“ werden können, ohne eine Auswirkung dieses Impulses antizipieren zu können.  

Gute Berater beobachten und hinterfragen die Verarbeitung der Irritation in der Kommunikation des Unternehmens und können mit einer mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeit prognostizieren, welche Auswirkungen zu erwarten sind. 

Selbst hochkompetente Könner innerhalb des Unternehmens werden wirksame Irritationen kaum erzeugen können, da sie ja selbst die gelebte Kultur der Organisation in Gebrauch nehmen. 

Learnings

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Erkenntnisgewinn steht vor fälschlich aktivierenden Handlungsempfehlungen.

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Die klassischen BWL-Werkzeugen helfen nicht mehr – Unternehmen sind weitaus komplexer.

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Regeln helfen nicht per se in der Umwandlung von Unternehmen.

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Hilfe von außen hilft vor inneren Hindernissen.

Gemeinsam unternehmerisch denken.

Bei Presse- und Vortragsanfragen schreiben Sie mir gerne eine Mail. Ich melde mich zeitnah bei Ihnen zurück.

 

Ralf Haase

Organisationsdesigner | Netzwerker | Future Leadership Evangelist